Es war schon beeindruckend, wie Prof. Dr. Norbert Lammert die über 800 Gäste der traditionellen Herbstveranstaltung des GvnK in seinen Bann zog. Der langjährige Bundestagspräsident überzeugte - auf Basis von über vier Jahrzehnten aktiver politischer Arbeit und Erfahrung - mit leisen Tönen, aber einem scharfen analytischen Blick auf die Geschichte und aktuelle Situation Europas und den Zustand der Demokratien in der Welt.
Globalisierung und Digitalisierung haben dabei seit knapp 25 Jahren die Entwicklung von Wirtschaft und Politik nachhaltig beeinflusst; weltweit schien damit der Siegeszug von marktwirtschaftlichen Systemen und demokratischen Gesellschaftsformen einher zu gehen, so Prof. Lammert. Der aktuelle Status ist jedoch nach seiner Einschätzung mehr als ernüchternd:
Demokratische Strukturen und Kernelemente sind zunehmend gefährdet; Demokratien sterben heute durch Wahlergebnisse und Missbrauch demokratischer Prinzipien statt wie früher durch militärische Aktionen oder Bürgerkriege,
Vor diesem Hintergrund haben die Menschen in Deutschland den zutreffenden Eindruck, dass nichts mehr sicher und verlässlich ist, die Welt zugleich größer und komplexer erscheint aufgrund der absoluten Transparenz über vielfältige Ereignisse und Entwicklungen. „Wir leben in einer globalen Welt, weil wir in einer digitalen Welt leben“, so Prof. Lammert, „man muss es nicht mögen, aber es findet trotzdem statt“.
Was bedeutet das für Europa und Deutschland? In seinem Fazit appellierte Prof. Lammert leidenschaftlich für ein gemeinsames Europa als einzige Chance für die Erhaltung wenigstens einer gewissen weltpolitischen und weltwirtschaftlichen Bedeutung in der Zukunft. Gerade Deutschland kommt dabei eine herausragende Verantwortung zu – trotz aktueller Entwicklungen in Italien, Ungarn, Polen oder des Brexits. Sollte es kein starkes, vereintes Europa geben, droht dagegen die historische, politische und wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit.