Eine der Kernaufgaben des Gesamtverbands ist der Gedankenaustausch mit Vertretern der Politik. Im Jahr 2018 fand das Treffen zwischen dem Vorstand des Gesamtverbandes und dem Niedersächsischen Landtag im Rahmen einer Sitzung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen unter Vorsitz von Herrn Stefan Wenzel und mit Beteiligung von Mitgliedern des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung in den Räumen der DZ Bank AG Hannover statt.
Unter Berücksichtigung von Themenvorschlägen der Fraktionen in beiden Ausschüssen informierten die Mitglieder des Vorstands des Gesamtverbands über aktuelle volkswirtschaftliche Entwicklungen sowie bedeutende Fragestellungen und Themen der Kreditwirtschaft und der Kreditinstitute:
Zins- und Konjunkturentwicklungen (incl. Geldpolitik der EZB und deren Perspektiven)
Markus Rammes verdeutlichte in seinem Vortrag aktuelle Tendenzen bei Konjunktur, Wachstum und Inflation in Deutschland, Europa und der Welt. Insgesamt fiel der Ausblick positiv, aber doch leicht gedämpft aus. Ursache sind vor allem politische Problemlagen und wirtschaftliche Risiken: eine forcierte „America-first-Politik“ in den USA, die Unklarheit über endgültige Modalitäten und Konsequenzen des Brexit, EU-/Euro-feindliche Tendenzen in Südeuropa und auch eine anziehende Inflation mit u.U. in der Folge steigenden Zinsen. Bislang ist die allgemeine Stimmung an den (Kapital-)Märkten hiervon nur leicht beeinträchtigt; es kann jedoch schnell zu einer nachhaltigen Verunsicherung oder spürbaren konjunkturellen Abschwächung kommen.
Schwer einzuschätzen sind auch die Folgen des auslaufenden Ankaufprogramms für Anleihen durch die EZB (Quantitative Easing) zum Ende 2018 sowie mögliche Auswirkungen politischer Instabilitäten wie z.B. durch die aktuelle Regierungskrise und europa-kritische Äußerungen in Italien. Während die US-Notenbank nach ersten Zinsschritten 2017 weitere Zinserhöhungen im Jahr 2018 plant, ist das künftige Vorgehen der EZB in der Geldpolitik abhängig von einer nachhaltigen Erhöhung der Euro-Inflationsrate und der weiteren politischen Stabilität in Europa.
Entwicklungen regulatorischer Anforderungen im Wandel der Zeit: wesentliche Regelungen, Ursachen und Perspektiven sowie Auswirkungen für die Kreditinstitute
Auf großes Interesse bei den Teilnehmern stieß erneut das Thema der aufsichtsrechtlichen Anforderungen und deren Konsequenzen für die Kreditinstitute. Dr. Ulf Meier skizzierte die Veränderungen im Aufsichtsrecht seit der Finanzmarktkrise 2008 und der Staatsschuldenkrise ab 2009 auf europäischer Ebene und den aktuellen Status bei deren Umsetzung. Von Seiten der Abgeordneten wurde die Notwendigkeit gesehen, Umfang und Tiefe der bisher geschaffenen Regelungen noch einmal kritisch zu hinterfragen. Dies gilt in jedem Fall auch für die Vielzahl der absehbaren weiteren Regulierungsvorhaben der EU in den kommenden Jahren.
Vor allem für nicht-systemrelevante Kreditinstitute – dies sind die für Deutschland typischen, in Europa jedoch kaum noch existierenden, kleineren Kreditinstitute – scheint bereits heute ein Zustand der Überregulierung eingetreten zu sein. Für systemrelevante europäischer Kreditinstitute wird die Wettbewerbsfähigkeit generell als problematisch empfunden, da Systemrelevanz in Europa bei Instituten beginnt, die mehr als 30 Mrd. Euro Bilanzsumme ausweisen, während dies in den USA erst ab 250 Mrd. US-$ der Fall ist.
Ein weiterer Schwerpunkt war das Thema der „gemeinsamen Einlagensicherung“, die aktuell noch nicht abschließend geregelt und weiterhin in Europa politisch umstritten ist. Einhellige Meinung war es, dass auch hier bewährte aber spezifisch deutsche Regelungen nicht leichtfertig dem Ziel europaweiter Vereinheitlichung geopfert werden dürfen.
Über die ganz konkreten Auswirkungen regulatorischer Anforderungen informierte Swantje Schöning anhand der Beispiele MiFID II, Payment Service Directive 2 (PSD 2) und Wohnimmobilienkreditrichtlinie (WIKR). So richtig die damit verbundenen Ziele der Förderung des Wettbewerbs und des Verbraucherschutzes sind, so schwierig gestaltet sich die Umsetzung: „Gut gemeint ist nicht gut gemacht“ lautete das Credo von Swantje Schöning. Verbunden waren bei der Einführung dieser Regulierungen und Gesetze und sind auch heute im Praxiseinsatz erhebliche Kosten, Investitionen und zusätzlicher personeller Aufwand, dem keinerlei Erträge gegenüber stehen. MiFID II hat erhebliche Auswirkungen auf den Vertrieb im Wertpapiergeschäft, PSD 2 und die WIKR stellten höhere Anforderungen an interne Systeme und die Beratungsleistung der Kreditinstitute – zum Teil mit ungewollten und für Kunden negativen Konsequenzen.
Wettbewerbssituation und -entwicklung am deutschen Bankenmarkt
Matthias Battefeld ging in seinem Vortrag der Frage nach, welche strukturellen Veränderungen sich gerade im deutschen Bankenmarkt vollziehen und welche Bedeutung Kreditinstitute insgesamt noch in Zukunft haben könnten. Zweifellos stellt Deutschland als leistungsfähigste europäische Volkswirtschaft einen unverändert attraktiven Markt dar. Bei weiter intensivem Wettbewerb sinkt jedoch die Zahl der Kreditinstitute, vor allem bei den Flächenanbietern Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken. Durch fortschreitende Automatisierung und Standardisierung sinkt die Zahl der Beschäftigten im Kreditgewerbe. Damit ist es für alle Kreditinstitute erforderlich, ein zukunfts- und tragfähiges Geschäftsmodell zu entwickeln. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund neuer technologischer Möglichkeiten sowie dem möglichen Markteintritt branchenfremder Wettbewerber wie Google, Amazon und Apple und den bereits aktiven FinTechs. Die Banken müssen die Frage beantworten: „Wofür braucht man überhaupt noch eine Bank?“
Im europäischen und internationalen Vergleich spielen die deutschen Kreditinstitute dagegen keine nennenswerte Rolle, gemessen an der Marktkapitalisierung, sind dennoch zunehmend interessant für ausländische Investoren.
Digitalisierung und deren Auswirkungen auf Geschäftsmodelle der Kreditinstitute, Arbeitsplätze und Mitarbeiter-Qualifikationen
Andreas Greiwe verdeutlichte abschließend die Entwicklungsschritte hin zu „Industrie 4.0“ mit dem Ziel der sich selbst organisierenden Produktion. Dabei scheint weniger die Investitionsbereitschaft der Unternehmen in digitale Geschäftsmodelle das Problem zu sein sondern vielmehr der heute schon spürbare Fachkräftemangel.
Kreditinstitute sind sowohl bei der Weiterentwicklung des eigenen Geschäftsmodells als auch im Kundengeschäft mit dem Thema der Digitalisierung konfrontiert. In beiden Fällen sind erhebliche Auswirkungen auf Anforderungen der Arbeitsplätze und Qualifikationen der Mitarbeiter zu erkennen. Tatsächlich macht die Kreditvergabe für digitale Kunden-Projekte bei den Kreditinstituten ein Umdenken erforderlich, weil nunmehr immaterielle Vermögensgegenstände wie Software oder die Marktchancen digitaler Geschäftsmodelle beurteilt werden müssen und bei Leistungsstörungen in Vertragsbeziehungen zwischen Kunde und Bank derartige Wirtschaftsgüter nur schwer verwertbar sind. Unabhängig davon sind die Kreditinstitute bemüht, sich den neuen Herausforderungen zu stellen, zumal auch neue Finanzierungsformen wie Crowdfunding erheblichen Zulauf haben und Wettbewerb bedeuten.
Jeweils nach den Vorträgen entwickelte sich eine lebhafte Diskussion, in der die vorgestellten Themen vertieft und auch weitere, die Abgeordneten interessierenden Fragestellungen behandelt wurden. Das Themenspektrum reichte dabei von Überlegungen zur Aufweichung aufsichtsrechtlicher Anforderungen zumindest für kleinere Kreditinstitute über mögliche Lösungsansätze bei der Umsetzung eines europäischen Systems der Einlagensicherung bis hin zu der künftigen Bedeutung digitaler Währungen für Kunden und Kreditinstitute.
Einigkeit bestand bei allen Teilnehmern, dass dieser Austausch erneut für beide Seiten gute Einblicke und wichtige Impulse erbracht hat und es sich gerade in Zeiten schnellen Wandels und zunehmender Komplexität lohnt, wesentliche finanz- und kreditwirtschaftliche Themen gemeinsam im Dialog zu erörtern.
Die Gesamtpräsentation können Sie hier einsehen.